SANDuhren – Symbolik
Die SANDuhr in der Symbolik
Als Sinnbild der Vergänglichkeit und des Todes hat die SANDuhr über Jahrhunderte hinweg bis heute nichts an Symbolkraft verloren. In einer schier unendlichen Vielfalt begegnet uns dieser Zeitmesser in Verbindung mit dem Tod in allen nur erdenklichen Darstellungsformen.
Ein Blick zurück in die Anfänge dieser Thematik führt uns in das Mittelalter. Zu dieser Zeit begann man den Tod nicht nur als Gegenstand religiöser Problematik zu betrachten sondern beschäftigte sich mit dieser Thematik immer mehr im täglichen Leben. Angesichts des grauenhaften Seuchensterbens (hier ist vor allem der Pestausbruch von 1348 zu nennen) reichte die christliche Lehre vom erstrebenswerten Tod als Eingang in das ewige Leben nicht mehr aus, um die kollektive Todeserfahrung zu verarbeiten. Zum einen gab es die Furcht vor dem plötzlichen, unerwarteten und damit unvorbereiteten d.h. ohne priesterliche Lossprechung eintretenden Tod. Andererseits setzte sich das Bewusstsein immer stärker durch, dass der Tod alle Menschen ohne Ansehen der Person oder des Standes bedroht.
Bild Tod mit SANDuhr
Die Darstellung des Todes wird in der Kunst verstärkt zum Gegenstand der Betrachtung. Dies äußerte sich zunächst in literarischen Klagen über die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens und der Unausweichlichkeit und Allgegenwart des Todes. Schon früher gab es vereinzelte Vanitas – Darstellungen in denen die Armseligkeit und Sündhaftigkeit der menschlichen Natur, das Elend des dem Tode verfallenen Lebens und die Hässlichkeit des Todes literarisch verarbeitet wurden. Dieses Thema nahm im lateinischen Schrifttum, aber auch in den Volkssprachen einen deutlichen Aufschwung.
Bild Leichenpredigt auf Johannes Saubertus (1592-1646)
Um 1200 verfasste der Zisterziensermönch Helinand ein 49 Strophen umfassendes Gedicht, in dem er verschiedene Mitglieder der Mittelalterlichen Gesellschaft in ihrer Sündhaftigkeit und in der Hinfälligkeit ihres Tun´s darstellt, hier also erstmalig (?) den Tod mit dem Ständemotiv verbindet. Aus dieser und vieler weiteren Grundlagen entwickelte sich dann um 1400 der Totentanz.
Der Totentanz war eine der ersten kollektiven Äußerungen der so genannten Profankultur. Die gesamte Gesellschaft feierte hier die grauenvolle Begegnung mit der körperlichen Endlichkeit. Der spanische „Danza general“ ist wohl die älteste Totentanzdichtung. Ihr folgte schnell die erste Totentanzmalerei in der Abteikirche St. Robert in la Chaise – Dieu in Auverge und in Paris. Von hier aus hat die Europäische Totentanztradition ihren Ursprung genommen.
Obwohl die SANDuhr schon fast 100 Jahre vorher auf einem italienischen Fresko zu sehen ist – hier allerdings nicht im Zusammenhang mit dem Tod – finden wir bei den Anfängen der Totentänze oder anderer Darstellungen des Todes keine SANDuhr.
Bild Zeichnung des Lübecker Totentanzes von R. Geissler, nach der Kopie von Anton Wortmann (1701)
Bei den ältesten Totentänzen finden wir keine SANDuhren. Allerdings kann hierüber nicht genaue Auskunft gegeben werden, da die meisten dieser Darstellungen in den vergangenen Jahrhunderten dem Zeitgeschmack entsprechend geändert wurden oder dem Verfall und sogar der Vernichtung anheim fielen. In der 1701 angefertigten Kopie des Lübecker Totentanzes von 1463 findet sich die SANDuhr, jedoch kann es sich hier um eine Beigabe des 18. Jahrhunderts handeln. Der originale Lübecker Totentanz verbrannte 1942 bei der Bombardierung Lübecks. Es ist nicht sicher ob beim Original die SANDuhr vorhanden war. Selbst solche berühmten Totentanzdarstellungen wie sie aus Basel bekannt waren, es gab sogar ein Lied darüber (Der Tod von Basel), wurden einfach abgerissen. Der Baseler Totentanz musste dem Bau einer Strasse weichen.
Mit der Totentanzdarstellung von Hans Holbein kommt die SANDuhr als Symbol der Vergänglichkeit des Lebens auf. Von dieser Zeit an ist die SANDuhr bei der Betrachtung des Todes nicht mehr weg zu denken. Oftmals wird dabei die Begegnung mit dem Tod nicht als Gewaltakt oder Bedrohung dargestellt, sondern ein Zwiegespräch, ja sogar ein vertrauensvoller Umgang zwischen Tod und Sterblichen wird erkennbar. In vielen späteren Totentanzdarstellungen taucht die SANDuhr als mahnendes Symbol auf. Bildunterschriften in Versform unterstreichen die Mahnung.
Bild Totentanz: Der alte Mann, Hans Holbein, um 1525
Bild Totentanzgemälde an der Ringmauer des Dominikanerklosters zu Bern, Niklaus Manuel, gen. Deutsch, 1516-1519, Kopie von Albrecht Kauw (1649)
Totentänze wie sie z.B. im Giebel der Spreuerbrücke in Luzern zu finden sind, zeigen eine hohe Kunstfertigkeit der Meister die diese Kunstwerke geschaffen haben. Hier tritt auch der Widerspruch zwischen dem lebensfrohen Tanz und der das Leben beendenden Gestalt des Todes deutlich hervor. Aber auch der feine Humor, die Selbstironie und der Wille sich nicht vor dem unausweichlichen Tode zu verstecken findet sich wieder. Beim Berner Totentanz hat der Maler sich selbst auf dem letzten Bild wiedergegeben. Der Tod nähert ihm sich von hinten und schlägt dem selbstsicheren, gelassen wirkenden Maler den Pinsel aus der Hand. Hier ist keine Angst oder Reue zu spüren, nur der unbeirrbare Wille sein Werk zu vollenden.
Die Thematik der Totentanzdarstellungen hat sich bis ins 20. Jahrhundert, wenn auch in geringerem Maße, erhalten. Hin und wieder ist dabei auch ein Stundenglas zu sehen.
Neben den Totentänzen sind viele Darstellungen zum Thema Tod entstanden. Eine unendliche Zahl in den verschiedensten Maltechniken aus den vergangenen 500 Jahren beliegt das sehr anschaulich. Bei bildlicher Wiedergabe christlicher Motive tritt die SANDuhr nicht auf. Das verwundert nicht weiter, da im alten und neuen Testament die SANDuhr auch nicht erwähnt wird.
Bild Allegorie von 1537
Im Rahmen der Vanitasthematik entwickelte sich in der Renaissance und im Barock eine vielschichtige Bildersprache in der ein großer Reichtum an Allegorien und Gegenständen dominieren. In eindrucksvollen Zusammenstellungen von Büchern, Musikinstrumenten, Kerzen, Totenschädeln, zerbrochenem oder geleerten Geschirr, SANDuhren, mechanischen Uhren und vielem anderen mehr wird auf die Vergänglichkeit allen Seins verwiesen. Immer wiederkehrende Themen sind Stilleben und Darstellungen von starken Kontrasten zwischen dem Tod einerseits und dem Inbegriff für Leben und Fruchtbarkeit andererseits, wie es bei den Bildern „Der Tod und das Mädchen“, „Der Tod und das Liebespaar“, „Mutter und Kind“ in vielen Variationen gemalt wurde.
Bisweilen wurde die Darstellung der SANDuhr in Verbindung mit dem Tode fast eine Modeerscheinung. Gedichte erhielten die Form einer SANDuhr. Weiterhin gibt es eine Reihe von Leichenpredigten, die ebenfalls die Gestalt einer SANDuhr erhielten und dann so gedruckt Verbreitung fanden. Auch in Liedtexten – wie z.B. dem Lied: „Hoch auf dem gelben Wagen“ wird das Thema in der vierten Strophe aufgegriffen:
„Sitzt einmal ein Gerippe
dort beim Schwager vorn
schwenkt statt der Peitsche die Hippe,
Stundenglas statt des Horns, …“
Der Art und Weise der Gestaltung von SANDuhren muss ebenfalls Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wenn es auch oftmals realistische Darstellungen in ihrem Gebrauch und ihrer Gestaltung gibt, wird doch gern etwas mehr Symbolik beigefügt. So deuten die geflügelten SANDuhren die Flüchtigkeit der Zeit an, abgelaufene Gläser zeigen das Ende allen irdischen Daseins. Zerbrochene Gläser hingegen deuten auf einen plötzlichen und ununerwarteten, vielleicht sogar auf einen gewaltsamen Tod hin.
Bild zerbrochenes Stundenglas und herab gebrannte Kerze auf einem Gemälde aus dem 17. Jh.
Die SANDuhr als Symbol und Schmuckwerk hat sich bei der Gestaltung von Grabmalen genau wie bei der darstellenden Kunst durchgesetzt. Das ist nicht besonders Verwunderlich, da die Grabmale der wohlhabenden Schichten schon immer ein Gegenstand künstlerischer Ausschmückungen waren. An den Grabmalen und Epitaphen von Fürsten und hohen geistlichen Würdenträgern finden wir besonders vom 17. bis 19. Jahrhundert eine unendliche Vielfalt von SANDuhrdarstellungen.
In der Renaissance und im Barock sind vor allem die klassischen Formen in eindrucksvollen Plastiken ausgeführt worden. Später im 19. und 20. Jahrhundert finden sich mehr und mehr Darstellungen im Halbrelief.
Bild 9 Grabmahl, weißer Marmor, Dresden, Friedhof auf dem Weißen Hirsch
Wenn in der Gegenwart die Häufigkeit der SANDuhrdarstellungen auf Grabmahlen auch zurückgegangen ist, können wir sie doch immer wieder finden. Meist sind es schlichte und moderne SANDuhrdarstellungen welche uns auf Grabsteinen begegnen. In einem Entwurf für das Grabmal eines Hamburger Auftraggebers finden sich drei verschiedene Möglichkeiten die SANDuhr darzustellen. Auf dem Friedhof in Radebeul – West sehen wir eine Umsetzung durch den Bildhauer selbst.
Bild Grabmahl in Radebeul, Günter Bollenbach, 1987
Die Bereiche Dichtung, Vanitas, Totentänze, Grabmalkunst usw. sind breit gefächerte Gebiete, bei denen eine unüberschaubare Vielfalt von Symbolik und kunstgeschichtliche Vergangenheit zu beachten sind. Das konnte und sollte in diesem Beitrag nicht im vollen Umfang wiedergegeben werden. Kunstwissenschaftler aus solchen Sammlungen wie der „Graphiksammlung der Heinrich-Heine-Universität“ in Düsseldorf oder die „Internationale Totentanz Gesellschaft“ sind für die Erörterung dieser Themen die kompetenten Ansprechpartner.
Einen Punkt gibt es jedoch der gerade in diesem Themenbereich beachtenswert ist, es ist die Geschichte – vor allen die der Gestaltung der Gehäuse – des Zeitmessers SANDuhr, die sich in diesem Themenbereich durch die vergangenen 500 Jahre lückenlos dokumentiert.