SANDuhren – In der Seefahrt
Die SANDuhr in der Seefahrt
„Sieben vorbei, acht verweht“ – In der Literatur über die Seefahrt findet sich diese Redewendung immer wieder. Der Inhalt dieses Zitates ist ein ganz einfacher: Die vierstündige Wache am Steuerrad des Schiffes geht ihrem Ende entgegen. Das siebte Halbstundenglas ist ausgelaufen, das Achte und somit letzte „Halbstundenglas“ läuft aus – der SAND darin verweht gewissermaßen. Seit wann es die zeitlich festgelegte Wache auf Schiffen gibt, ist nicht sicher belegt, doch es ist gut vorstellbar, dass bei der küstennahen Seefahrt die Länge der Schiffswache für die Sicherheit des Schiffes kein allzu großes Thema war. Die Seeleute befuhren die Gewässer mit wachen Sinnen, umschifften die Untiefen und navigierten nach bekannten geographischen Merkmalen, die Wache wurde den Erfordernissen entsprechend geregelt. Als jedoch ohne Sichtkontakt zum Land über die Meere und Ozeane gesegelt wurde (wenn es auch schon vereinzelt im Altertum vorkam, fand das Ablösen von der Küstenschifffahrt wohl weitläufig um 1400 statt), mussten Regelungen und Schiffsordnungen für ein Zusammenspiel von Schiff, Mensch und Natur sorgen.
Das Überwachen aller Vorgänge an Bord und um das Schiff herum war nun sehr wichtig, da im Gegensatz zur Küstenschifffahrt (dort konnte bei Bedarf vor Anker gelegen und abgewartet werden) keine Ruhepause für die Fahrt des Schiffes eintrat. Ein ständiges Kontrollieren, Registrieren und Reagieren war lebensnotwendig geworden. Hierfür war ein wachhabendes Regime zu installieren, dass diesen Erfordernissen Rechnung trug. Die Länge der Wache musste die körperlichen und geistigen Belastungen berücksichtigen, um die Fehler des Wachhabenden im überschaubaren Rahmen zu halten. Um den einzelnen wachhabenden Seeleuten auch die gleiche Länge der Wachen zuzubilligen, war eine objektive Zeitmessung für die Dauer einer Wache erforderlich.
Die meisten der damals bekannten Zeitmesser waren für diese Zwecke ungeeignet. Auf den schwankenden Schiffen konnten Wasseruhren und die mechanischen Uhren mit Gewichtsantrieb und unsicherem Schwingsystem nicht gebraucht werden. Mechanische Uhren mit Federkraftantrieb erreichten erst weit nach 1600 Ganggenauigkeiten die einen Einsatz auf See denkbar machten. Auch die Feueruhren waren, wegen der von ihnen ausgehenden Brandgefahr, nicht sonderlich geeignet.
Das Messen der Zeit mittels Sonnenuhren oder nautischen Beobachtungsinstrumenten die ein Ablesen des Sonnenstandes ermöglichten, war auf jedem Schiff in Gebrauch, konnte aber aus zwei Gründen nicht zum Bemessen der Wache verwendet werden. Zum einen war ein Arbeiten bei bewölktem Himmel mit diesen Messgeräten nicht mehr möglich, was ein genaues Bemessen der Wachdauer verhinderte. Zum anderen konnte man mit dieser Messmethode nur die Ortszeit messen. Bei einer Schiffsbewegung in Nord-Süd-Richtung ist das nicht weiter wichtig, bei einer Ost-West-Bewegung des Schiffes jedoch erhält man immer nur die Ortszeit der aktuellen Schiffposition. Die verstrichene Zeit vom Beginn der Wache an kann man so nicht messen.
Es musste also ein anderer Zeitmesser her, der bei jedem Wetter und in jeder Situation ein Ablesen der Zeit ermöglichte. Dieser war schnell gefunden – es war die SANDuhr.
So unscheinbar und einfach der mit SAND gefüllte Glaskolben zu sein scheint, für die Seefahrt war er der ideale Zeitmesser. Ob es Windstille, Sturm, Regen, Frost oder Hitze gab, die SANDuhr ging immer, der SAND rieselte unverdrossen vom oberen Glas in das untere. Das Ablesen der SANDuhr konnte, im Gegensatz zu den Sonnenuhren, vom Kapitän bis zum Schiffsjungen jeder übernehmen. Der andere Vorteil den die SANDuhr bot, war der viel geringere Preis gegenüber den anderen Uhren und nautischen Instrumenten. So ließ sich auf einfache und obendrein recht preiswerte Art eine Zeitmessung auf den Schiffen einrichten.
Die Länge einer Schiffswache konnte unterschiedlich lang sein. Auf den Schiffen der Compagnie des Indes Neerlandais = der Niederländisch-Indien Kompanie wurden die Wachen in drei Stunden Dauer eingeteilt. In der Türkei soll es fünfstündige Wachen gegeben haben. Die anderen seefahrenden Nationen bevorzugten im Allgemeinen vierstündige Wachen. Das Festlegen einer Schiffswache auf die Dauer von vier Stunden kann willkürlich geschehen sein und hat sich wohl als die günstigste Lösung erwiesen. Über viele Jahrhunderte behauptete die SANDuhr ihre dominierende Rolle als Zeitmesser an Bord. Unzählige Eintragungen in Logbücher, Berichte über die Seefahrt und Zeitzeugen belegen das nachhaltig.
Die WachSANDuhr war von einfacher Bauform. In den meisten Fällen bestand das Gehäuse aus Holz. Die drei oder vier Verbindungsstege, die beiden Deckplatten sowie die Glaseinfassungen waren gedrechselt oder geschnitzt und meistens farblich gefasst. Oft waren einfache Vorrichtungen wie Haken oder Schnüre zum Aufhängen angebracht. Zierrat, wie an den SANDuhren im Studierzimmer oder in der Kirche kann man nur sehr selten finden.
Das Glas bestand anfangs aus zwei flaschenartigen Glaskolben, die mit SAND gefüllt zusammengefügt und mit Harz und Schnur verbunden wurden. Zwischen die Gläser hatte man ein dünnes Metallplättchen gelegt, das mit einer kleinen Bohrung versehen den Durchlauf des SANDes regulierte. Um 1750 kamen dann Glaskolben aus einem Stück in Gebrauch. Die ersten dieser Gläser hatten noch oben und unten eine Öffnung zum Einfüllen des SANDes und zur Positionierung des Metallplättchens an der Durchlaufstelle. Später dann kam man mit einer Öffnung aus. Auch auf das Metallplättchen konnte man nun verzichten, da die Durchlaufstelle fein genug gestaltet werden konnte. Die Öffnungen wurden mit einem Korken, einem Stöpsel aus Leder und Holz oder mit Wachs verschlossen.
Schließlich gelang es den Glasbläsern die SANDgläser so herzustellen, wie wir sie heute kennen – aus einem Stück, auf beiden Seiten zugeschmolzen und mit der gewünschten Laufdauer versehen. Die Entwicklung vom zweiteiligen Glaskörper bis zum zugeschmolzenen Glas dauerte wohl etwa 100 Jahre.
Doch egal von welcher Bauart die Gläser waren, eines zeichnete sie immer aus: sie sind sehr zuverlässig in ihrem Gebrauch. Die Handhabung war ganz einfach. Das Glas wurde zum Beginn der Wache umgewendet und lief eine halbe Stunde. Nachdem der SAND vom oberen in das untere Glas gelaufen war, wurde die Schiffsglocke einmal angeschlagen und das Glas wieder umgewendet. Nach dem zweiten Ablauf wurde die Glocke nun zweimal angeschlagen. Das ging so fort bis das SANDglas das achte Mal ausgelaufen war. Jetzt erfolgten acht Schläge an die Glocke, die Wache war zu Ende. Um ein Zählen der Glockenschläge zu erleichtern wurden die vollen Stunden immer als Doppelschläge ausgeführt. Nach drei und einer halben Stunde Wache ertönten also drei Doppel- und ein Einfachschlag (Sieben vorbei !).
Nach dieser Stundenzählung an Bord und der Art des Bekanntmachens der verflossenen Zeit bildete sich der Begriff des Glasen-Schlagens heraus. Vom Umwenden des SANDglases war der Begriff Glasen entlehnt und das Schlagen an die Glocke war der zweite Teil des Begriffes geworden. Selbst als die WachSANDuhr von mechanischen Uhren abgelöst wurde, blieb der von der SANDuhr her rührende Begriff Bestandteil auf den Schiffen. Diese mechanischen Uhren trugen nicht nur den Namen Glasenuhr, sondern sie schlugen über ein selbsttätiges Schlagwerk den guten alten Rhythmus der Einzel- und Doppelschläge für eine vierstündige Wache. Der Wachwechsel fand und findet noch heute um 4, 8, 12, 16, 20 und 24 Uhr statt.
Auf ein Umwenden des SANDglases zum richtigen Zeitpunkt legte man auf den Schiffen großen Wert. Einerseits war es für den Wachhabenden von Nachteil, wenn er vergaß das Glas herumzudrehen, da sich hierdurch die Dauer seiner Dienstzeit verlängerte. Andererseits war ein vorzeitiges Umwenden genau so ungünstig, da hierbei die Wache verkürzt und somit auch die Ruhe- und Schlafenszeit der folgenden Wache gekürzt wurde. Auf solche Art der unkameradschaftlichen Handhabung von anvertrauten Bordinstrumenten standen empfindliche Strafen. In einem französischen Text wird davon berichtet, dass der Sünder den SAND aus der SANDuhr zur Strafe aufessen musste.
Die Kontrolle über den ordnungsgemäßen Ablauf der Wache konnte der Kapitän in seiner Kajüte vornehmen. Dort hing oft eine SANDuhr mit einer Laufzeit von vier Stunden. Die früheste Erwähnung einer SeeSANDuhr findet sich In den Schiffspapieren der „George“, hier ist eine Quittung über zwölf „glass horloes“ erhalten, welche 1345 in der flandrischen Hafenstadt Sluis gekauft wurden. Auch in einem Inventar, das nach dem Tode Karls V. König von Frankreich 1380 aufgestellt wurde ist zu lesen, dass sich in der kleinen Kapelle des Louvre eine große Meeresuhr, die aus zwei großen mit SAND gefüllten Phiolen und einem Holzgestell mit Messingverzierungen besteht, befindet.
Die Erwähnung, Aufzählung und Reglementierungen von SANDuhren in Bezug auf Gangdauer und mitzuführende Stückzahlen an Bord sind vielfach dokumentiert. Stellvertretend seien einige Beispiele genannt:
1. 1492 werden im Schiffsjournal des Christoph Columbus SANDuhren (ampolettas) mit einer halben Stunde Laufzeit mehrfach erwähnt.
2. Pater Pourier berichtet, dass man gewöhnlich 8 Kompasse auf einem Schiff mitnimmt, und dazu noch 24 Uhren. Davon eine mit der Laufdauer von 3 oder 4 Stunden und zwei mit der Zeitdauer von je 1 Minute.
3. Um 1600 zählt der Mathematiker Jon Dee zur Ausrüstung von Schiffen, SANDuhren mit der Laufzeit von einer halben, einer und drei Stunden.
4. In einem Erlass zur Ausrüstung von Schiffen vom 10. Februar 1674 wird das Anbringen einer 4 Stundenuhr und das Aufstellen von 12 bis 18 Uhren einer halben Stunde auf den Schiffen bewilligt.
5. Unter Ludwig dem XIV. gab es eine 4 Stundenuhr für alle Schiffsklassen. Flaggschiffe durften 8 Halbstundengläser, Fregatten und Korvetten nur 4 Halbstundengläser an Bord haben. Für das Log gab es zwei halbminütige und eine einzige mit der Laufzeit einer viertel Minute.
6. Nach einem in der Geschichte der Royal Navy abgedruckten Bericht von Arnolds dauerte 1776 das Gefecht auf dem Lake Champlain „fünf SANDuhren“, also zwei und eine halbe Stunde.
7. Im Jahre 1778 bestellte Blondeau in Dünkirchen 100 Ampouletten mit einer Laufzeit von 30 Sekunden für das Log.
8. 1780 bestellte die Akademie bei La Haye d`Anglemont in Dünkirchen 700 nicht montierte Ampoletten um sie in den Kompassbauwerkstätten im Hafen von Brest zu SANDuhren von einer halben und einer Viertelminute Laufdauer machen zu lassen.
Der heute so geläufige und oft benutzte Begriff WachSANDuhr scheint unzweifelhaft richtig zu sein, wenn da nicht die Tatsache wäre, dass in der älteren Literatur, also in den Niederschriften die zurzeit des Gebrauches dieser Zeitmesser angefertigt wurden, niemals der Begriff WachSANDuhr auftaucht. Es ist immer von See- oder Meeresuhren, Stunden- oder Halbstundengläsern usw. die Rede. Der Grund für diese Ungenauigkeit liegt in der etwas einseitigen Betrachtungsweise vieler Geschichtsforscher gegenüber der SANDuhr. Sie wurde als schlichter, relativ ungenau arbeitender Zeitmesser kaum ernst genommen.
Dennoch hat die SANDuhr in der Seefahrt eine sehr große Bedeutung gehabt. Sie wurde nämlich nicht nur als WachSANDuhr benutzt, sondern sie war über Jahrhunderte ein unentbehrliches Mittel zur Navigation – wenn hier auch schon einschränkend gesagt werden muss, dass sie dieser Anforderung nur in sehr eingeschränktem Maße gerecht wurde.
Auf die Funktion als Navigationshilfe stieß man zufällig. Sutzig machte die Tatsache, dass es so unwahrscheinlich viele Eintragungen in den Logbüchern gab, bei denen die SANDuhr erwähnt wird. Durch gelegentliche Messung der Ortszeit mittels Quadrant oder Sextant hätte man auch unproblematisch die Uhrzeit angeben können, wie es an Land üblich ist. Weshalb wurde die gesamte Zeitmessung an Bord nach der SANDuhr geregelt? Die Antwort ist recht einfach. Um eine Positionsbestimmung auf offener See vorzunehmen, muss man den zurückgelegten Weg kennen und den erfährt man nur, wenn man weiß in welche Richtung man wie weit gefahren ist. Es ist also festzustellen in welche Himmelsrichtung gefahren wird. Das zeigt der Kompass an. Dann muss die Geschwindigkeit des Schiffes bekannt sein. Das wird durch das Log ermittelt. Als letztes schließlich muss bekannt sein, wie lange man in einer bestimmten Richtung und Geschwindigkeit gesegelt ist. In den Fällen, bei denen sich die Geschwindigkeit und Richtung öfters ändert wird es dann noch etwas komplizierter.
Dies alles wurde mit Hilfe der SANDuhr und einem dazugehörigen Hilfsmittel bewerkstelligt. Dieses Hilfsmittel ist das Uhrbord. Es wurde in den verschiedensten Ausführungen in großen Stückzahlen produziert.
Bild Uhrbord, schwedisch, 19. Jahrhundert(aus: Der Kompass, A.Schück, Hamburg 1915)
Das Uhrbord ist ein rundes Brett, meist mit kleinem Handgriff. Auf demselben sind die 32 Windstriche gezeichnet, wovon der Nordstrich durch eine Linie angezeigt ist. In jeden Windstrich sind 8 Löcher gebohrt, welche für die 8 Stundengläser, die während einer Wache auslaufen, bestimmt sind. Im Zentrum hängen 8 kleine Pinnen oder Nägel an Fäden.
Nach Verlauf einer jeden halben Stunde steckt der Ruderbesteuerer auf dem Strich den er gesteuert, eine von den Pinnen in eins von diesen Löchern. Dies geschieht nach Verlauf der ersten halben Stunde in das Loch, welches sich am nächsten beim Zentrum befindet, bei der zweiten wenn er denselben Kurs noch weitergesteuert hat, in das darauf Folgende und so weiter. Nach Ablauf der Wache diente dieses mit 8 Pinnen bezeichnete Brett zur Berechnung des Weges, indem man die Abdrift des Schiffes und die Abweichung der Kompassnadel hierbei berücksichtigt. So lange es keine genauer gehenden Uhren gab, mit denen man aus der Differenz von der Zeit des Heimathafens und der aktuellen Ortszeit den genauen Standort ermitteln konnte, war diese Methode die am häufigsten benutzte. Um möglichst genaue Ergebnisse zu erhalten wurde sehr großer Wert auf eine exakte Beobachtung der Schiffsbewegung gelegt. So fordert eine französische Verordnung vom 15. April 1689 im Artikel 6 folgendes: Der Steuermann hat oft seine Kompasse zu überprüfen, um zu sehen, ob die Nadel sich nicht bewegt hat und er hat die genaue Zeit seiner Uhren zu prüfen, um keinen Fehler in seiner Navigation zu begehen. Der Steuermann Jean Gondouin aus la Rochelle zum Beispiel versuchte seine geographischen Längengrade zu bestimmen, indem er seine 24 Stunden (Puderdose) auf die Mittagsstunde seiner Abfahrtsorte hin einstellte. Es finden sich vielfach zeitgenössische Abbildungen, bei denen die SANDuhr mit anderem nautischen Gerät zu sehen ist. Selbst bei der Ausbildung der Navigatoren ist die SANDuhr ein selbstverständliches und gleichberechtigtes Instrument.
Bild Die Situation am Steuerrad bei der Arbeit mit dem Uhrbord (aus: La Marine; M.Eugène Pacini, Paris 1844)
Nun sind aber die SANDuhren bekanntermaßen nicht gerade solche Uhren, die mit dem Begriff Präzision zusammen genannt werden können. Die Zeitmessung mit SANDuhren war ein Problem. Schon Joao de Castro benutzte 1538 bei seinen magnetischen Beobachtungen Astrolabien, Sonnen- und SANDuhren. Um eine Übereinstimmung der Uhren zu erreichen, ließ er einen Tisch so waagerecht wie möglich aufhängen. Allerdings konnte er keine Übereinstimmung der Sonnenuhren mit den SANDuhren erzielen. Eine andere Begebenheit macht das ganze Ausmaß der Problematik deutlich. Im Jahre 1703 wurde ein aus fünf Schiffen bestehendes französisches Geschwader unter Admiral René Duguay-Trouin vor Spitzbergen vom Nebel überrascht. Neun Tage lang war die Sonne nicht sichtbar und so weit nördlich konnte man nicht einmal den Tag von der Nacht unterscheiden. Zur Zeitmessung standen somit nur SANDuhren zur Verfügung. Als sich der Nebel gelichtet hatte, stellte man fest, dass die mit Hilfe der SANDuhren gemessene Zeit um elf Stunden von der wahren Zeit abwich. Mit solchen Ergebnissen kann von einer brauchbaren Navigation keine Rede sein. Viele Seeleute fanden auf dem Meer den Tod, weil man die Orientierung verloren hatte oder das rettende Festland verfehlte. Und dennoch war die Messung mit der SANDuhr über Jahrhunderte die nahezu einzige Möglichkeit den Kurs zu bestimmen und hat wohl auch des Öfteren dazu beigetragen, dass Seeleute rechtzeitig das rettende Land erreichten.
Bild Kompassgehäuse mit Kompass und darüber hängender SANDuhr, Stich aus dem Jahre 1915(aus: Der Kompass, A.Schück, Hamburg 1915)
Wenn so viel von den SANDuhren gesprochen wird, die da so wichtig auf den Schiffen sind, stellt sich auch die Frage, wo und wie diese Zeitmesser an Bord untergebracht sind. Von der SANDuhr in der Kapitänskajüte haben wir schon gehört, aber wo befand sich die SANDuhr am Steuerrad? In einer Veröffentlichung heißt es: Das Stundenglas hing über dem Ruderkasten der Segelschiffe unter, über oder neben der kleinen Schiffsglocke. Der schon zitierte Pater Pourier nennt bei der Beschreibung des Kompasshäuschens drei Nischen. Eine für das Licht, eine für den Kompass und die Dritte für die Uhr oder SANDbüchse. In den bildlichen Darstellungen der Seefahrt war bisher ist kein einziges Bild zu entdecken, bei dem eine SANDuhr im Gebrauch des Steuermannes zu sehen ist. Schöne Schiffe, Schiffskatastrophen und viel seemännischen Lebensalltag gibt es auf Tausenden von Bildern. Aber gerade mal eine einzige Abbildung aus dem Jahre 1915 ist bisher bekannt, bei der die SANDuhr im Kompassgehäuse untergebracht ist. Doch solche Kompassgehäuse gab es zu den Zeiten von Kolumbus noch nicht. Dort sah alles noch ein wenig anders aus, nur wie genau, das wissen wir heute nicht mehr.
Bild LogSANDuhr, um 1750 (Privatbesitz)
Das Halbstundenglas ist nicht die einzige SANDuhr an Bord. Da gibt es immer noch – auch ein Teil der Positionsbestimmung – das Log. Das Log ist eine Einrichtung mit der die Schiffsgeschwindigkeit gemessen werden kann. Das Log besteht aus dem Logscheit, der Logleine, der Logrolle und den Logglas. Das Logscheit ist ein dünnes hölzernes Brettchen in Gestalt eines Viertelkreises, dessen Radius reichlich eine Spanne beträgt. An der äußeren Bogenkante verläuft ein schmaler Bleistreifen, der gerade so viel Gewicht hat, dass das Logscheit aufrecht im Wasser steht und bis zur rechtwinkligen Ecke eintaucht. An den drei Ecken ist das Logscheit durchbohrt und mit der Logleine verbunden. Dabei sind die Leinenenden der beiden Ecken am Kreisbogen so befestigt, dass sie sich bei einem heftigen Ruck der Leine vom Verbindungspunkt der Logleine lösen. Nachdem das Logscheit über Bord geworfen wurde, wird so lange gewartet bis das Log aus dem Sog des Kielwassers gelangt. Der Teil der Leine, der auslaufen muss ehe die eigentliche Messung beginnt, wird Vorläufer genannt und ist gewöhnlich so lang wie das Schiff. Sein Ende ist mit einem Stück Werk, Leder oder einem Stoffstreifen gekennzeichnet. Ab hier beginnt die Teilung in Knoten, deren Abstand dem Typ des verwendeten Logglases entsprechen muss. Würde das Logscheit ganz fest im Wasser feststecken und die SANDuhr würde eine ganze Stunde laufen, so müsste für jede Seemeile Fahrt auch genau 1852 Meter Logleine ablaufen.
Da aber das Logscheit dem Schiff ein wenig nachgeschleppt wird, rechnet man die Logmeile ein wenig kürzer. Dazu gibt es von den verschiedenen Autoren die unterschiedlichsten Rechenbeispiele, die in der Endkonsequenz mit unterschiedlichen Laufzeiten der SANDuhren und unterschiedlichen Abständen der Knoten auf der Logleine doch letztlich sehr ähnliche Ergebnisse in der Geschwindigkeitsmessung erreichen.
Bild historische Darstellung des „Loggens“(aus: La Marine; M.Eugène Pacini, Paris 1844)
Zum Loggen sind drei Mann erforderlich, von denen einer die Logrolle und einer das Logglas hält. Der Dritte wirft das Logscheit über Bord, fördert mit der einen Hand das Abwickeln der Leine von der Rolle und lässt dabei die Leine durch die andere Hand gleiten. Sobald der Vorläufer vorbei kommt gibt er dem Mann mit dem Logglas ein Zeichen. Dieser kehrt das Glas um und gibt nach dessen Ablauf dem Mann an der Logleine ein weiteres Zeichen, worauf dieser die Leine festhält und überprüft, wie viele Knoten abgelaufen sind. Die Schiffsgeschwindigkeit wird aufgrund dieser Methode in Knoten angegeben und ist noch heute die Maßeinheit der Schiffsgeschwindigkeit.
Seit wann das Log in dieser Art benutzt wird ist nicht genau bekannt. Im Allgemeinen wird das Werk von William Bourne „A regiment for the Sea, London 1577“ als erster Text betrachtet, in dem das Loggen mit einer SANDuhr beschrieben wird. Immer wieder wird das Reisejournal der Magellanschen Weltumsegelung von 1521 erwähnt, in dem ein Log beschrieben sein soll: „…Kette am Hinterteil des Schiffes … um den Weg zu Messen.“ Eine SANDuhr wird hier nicht erwähnt. Allerdings sagt Artur Breusing (Direktor der Seefahrtsschule Bremen, 1890) hierzu, dass es sich bei der Kette lediglich um die Schleppleine gehandelt haben kann, mit deren Hilfe die Seeleute früher den Kurs des Schiffes bestimmten. Erst mit dem Gebrauch eines guten Kompasses wurde diese Art der Kursbestimmung uninteressant.
Das Log in Verbindung mit der SANDuhr war noch bis in das 19. Jahrhundert in dieser Art im Gebrauch, wurde dann jedoch zunehmend von moderneren und genaueren mechanischen Einrichtungen abgelöst.
Diese Beschreibungen des Einsatzes der SANDuhr in der Seefahrt zeigen, dass die SANDuhren über einen Zeitraum von etwa 500 Jahren im Schiffsdienst Anwendung fanden. Sie waren demnach keineswegs eine untergeordnete Spielerei, sondern über einen sehr langen Zeitraum ein ernst zu nehmender Zeitmesser und mussten erst im späten 18. Jahrhundert den immer besser werdenden mechanischen Uhren das Feld räumen.